Werden auch Todkranke reanimiert?

23.04.24

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Ein Rettungswagen von Schutz & Rettung Zürich und ein Notarztfahrzeug stehen vor einer Wohnsiedlung.

Ist neben der Ambulanz auch ein Notarzt vor Ort, geht es häufig um Leben und Tod. (Foto: SRZ)

Rettungsteams sind dazu da, um Leben zu retten. Aber nicht alle Menschen möchten in jeder Situation gerettet werden. In diesem Dilemma sind Anordnungen für den Notfall hilfreich.

Manche Menschen mit unheilbaren Krankheiten brechen Therapien ab, wünschen keine lebensverlängernden Massnahmen und auch keine Reanimation. Andere tun alles, um so lange wie möglich zu leben. Auch todkrank möchten sie im Fall eines plötzlichen Atem- oder Herz-Kreislauf-Stillstandes reanimiert werden. Wer sich wofür entscheidet, ist individuell sehr verschieden.

Das Team von Palliaviva bespricht diese Wünsche mit jeder Patientin und jedem Patienten. In den meisten Fällen sind bei diesen Gesprächen auch Angehörige dabei. Der Patient oder die Patientin unterschreibt schliesslich ein Papier, auf dem steht, ob in einem Notfall eine Herz-Lungen-Wiederbelebung, eine Behandlung auf einer Intensivstation oder ein Aufenthalt auf einer Normalstation im Spital in Frage kommt.

Man kann auch wünschen, dass lediglich alles getan werden soll, um Symptome wie Schmerzen zu lindern, und dass man wenn möglich zu Hause bleiben möchte.

Diskussionen in der Familie

Zusätzlich zu dieser sogenannten Notfallanordnung besitzen viele Leute eine Patientenverfügung, in der sie beispielsweise festhalten, was ihnen wichtig ist im Leben. Die Patientenverfügung beschreibt ausführlicher als die Notfallanordnung, was das sogenannte Therapieziel sein soll.

Gespräche über diese Fragen lösen in Familien manchmal heftige Diskussionen aus. Oft ist es das erste Mal, dass man darüber spricht. Und es ist gar nicht immer so einfach, sich die konkreten Situationen vorzustellen. Dazu kommt: Wünschen kann man sich alles, doch eine Garantie dafür, dass alles so abläuft, wie man es vorgesehen hat, gibt es nicht. Die gute Nachricht ist: Man kann viel dafür tun, dass die eigenen Wünsche im Notfall erfüllt werden.

Keiner weiss das besser als Michael Schumann, der Leiter Sanität bei Schutz & Rettung Zürich. Seine Teams rücken aus, wenn sie über die Notrufnummer 144 aufgeboten werden. Palliaviva arbeitet regelmässig mit Schutz & Rettung Zürich zusammen. Meistens geht es um Transporte, bei denen keine besondere Eile geboten und niemand in Lebensgefahr ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Patientinnen oder Patienten für einen vorübergehenden Aufenthalt, etwa zum Einstellen von Medikamenten, in ein Spital gebracht werden.

Michael Schumann von Schutz & Rettung Zürich gibt SRF ein Interview. (Screenshot SRF)

Michael Schumann (Screenshot SRF)

Unklare Nofallsituationen

Selten kommt es aber auch im Alltag von Palliaviva zu Notfällen. Dies beispielsweise dann, wenn sich Symptome bei einer oder einem Betroffenen verschlimmern, darauf ein körperlicher Zusammenbruch erfolgt und der Patient oder die Patientin kaum noch atmet. Es kann auch sein, dass jemand morgens nicht mehr aufzuwecken ist. Manche Angehörige wählen in ihrer Not und Verzweiflung reflexartig sofort die Nummer 144.

Wenn sie gleichzeitig Palliaviva über die Pikettnummer anrufen, werden Palliaviva und Schutz & Rettung Zürich miteinander kommunizieren. Die Frage, ob eine Reanimation im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstandes dem Wunsch des Betroffenen entspricht, ist dann schnell geklärt.

Michael Schumann, der Leiter Sanität, kennt aber auch den Fall, dass die mit Blaulicht ausgerückten Rettungsteams eine unklare Notfallsituation antreffen. «Dann das Beste für den Patienten oder die Patientin zu tun, ist nicht immer ganz einfach», sagt Michael Schumann. «Das Beste für uns heisst, den Willen des Betroffenen zu erfüllen.»

Er hält fest: «Wir wollen keine schwer kranken oder hochaltrigen Menschen reanimieren, die friedlich eingeschlafen sind und sich das auch so gewünscht haben.»

Den Willen verschriftlichen

Die Schlüsselpersonen sind einerseits die Betroffenen selber und andererseits ihre Angehörigen, wenn sie im selben Haushalt leben. Michael Schumann empfiehlt Folgendes:

  • Den eigenen Willen für den Fall, dass man sich selber nicht mehr äussern kann, klar schriftlich festhalten.
  • Die Notfallanordnung bzw. die Patientenverfügung mit Datum und Unterschrift versehen.
  • Mit dem Umfeld über die eigenen Wünsche sprechen.
  • Das Dokument leicht auffindbar in der Wohnung oder im Haus platzieren beziehungsweise im Portemonnaie dabeihaben, wenn man unterwegs ist.

Wenn im Notfall vor Ort unklar ist, ob eine Person wiederbelebt werden möchte, sind die Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter verpflichtet, mit einer Reanimation zu beginnen. Voraussetzung ist, dass noch keine sicheren Todeszeichen vorhanden sind, die Rettungsprofis also eine reelle Chance für ein Überleben sehen.

Es gibt laut Michael Schumann auch den Fall, dass das Rettungsteam vor Ort eintrifft und ein Angehöriger oder eine Angehörige behauptet, zu wissen, dass der Patient oder die Patientin keine Reanimation wünsche. «Das ist für unsere Leute eine schwierige Situation», betont er, «solange kein Beleg dafür vorhanden ist, müssen wir grundsätzlich reanimieren.»

Über das Unangenehme reden

Michael Schumann sagt, parallel zur Wiederbelebung versuche das Rettungsteam, nach einer Notfallanordnung oder Patientenverfügung zu suchen: zuerst im Portemonnaie, dann überall sonst im Haus oder in der Wohnung. In diesen Situationen komme immer auch ein Notarzt mit einem dritten Rettungssanitäter oder einer Rettungssanitäterin vor Ort.

Wird ein unterschriebenes und datiertes Dokument gefunden, in dem steht, dass keine Wiederbelebung gewünscht wird, brechen die Retterinnen und Retter die Reanimation ab.

«Wir stellen uns, wenn es sein muss, in diesem Fall auch gegen einen allfälligen Wunsch der Angehörigen», erläutert Michael Schumann. Ein solcher Entscheid werde aber nie von nur einer Person allein getroffen. «Alle im Raum, inklusive der Notarzt, sprechen sich ab.»

Wer sich also frühzeitig mit seinen eigenen Wünschen auseinandersetzt und diese im Umfeld kommuniziert, tut sich selber einen Gefallen. Und auch den Angehörigen macht man das Leben leichter, indem sie sich gedanklich auf einen möglichen Notfall vorbereiten können.

Ein Team aus zwei Rettungssanitätern betreut in einem Ambulanzfahrzeug eine Patientin.

Ein Team aus einer Rettungssanitäterin und einem Rettungssanitäter betreut in einem Ambulanzfahrzeug eine Patientin. (Foto: SRZ)

Eine Patientenverfügung stellt z.B. die FMH, der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte online zur Verfügung. Es gibt eine ausführliche Version und Kurzversion je mit einer Hinweiskarte fürs Portemonnaie sowie einer Wegleitung.

Jede Person kann in eine Situation geraten, in der sie sich nicht zu den medizinischen Massnahmen äussern kann. Für eine solche Situation ist eine Patientenverfügung von grosser Bedeutung. Es wird im Voraus schriftlich festgehalten, welchen medizinischen Massnahmen die betroffene Person zustimmt und welche sie ablehnt.

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