Vieles war früher anders – manches ist heute noch gleich
06.04.24
«Schwester Agnes» und «Schwester Barbara» sind die Pionierinnen, die mit ihrem «Pflegedienst» den Grundstein für die Stiftung Palliaviva legten. Die 35-jährige Geschichte ist vom engagierten Einsatz vieler Einzelpersonen geprägt. Die Finanzierung war immer mal wieder ein schwieriges Thema.
Am 6. April 1989 unterzeichneten die ersten Stiftungsratsmitglieder feierlich die Stiftungsurkunde. Das war ein grosser Moment: Der Pflegedienst für Krebspatienten, der im 24-Stunden-Betrieb von nur zwei Pflegefachfrauen gestemmt wurde, erhielt damit eine neue, stabilere Basis. Das Fundament, das der erste Stiftungsrat damals baute, hält bis heute, bis ins Jahr 2024, in dem die Stiftung Palliaviva ihr 35-jähriges Bestehen feiern kann.
Vieles, sehr vieles war damals anders als jetzt. Manches aber hat sich auch gar nicht so sehr verändert, wie man es vielleicht erwarten könnte: Das zeigt ein Blick in den weissen Ordner, der zwischen anderem Büromaterial in einem der Schränke am Hauptsitz von Palliaviva in Zürich-Oerlikon steht und mit den Stichworten «Urkunde», «Adressen», «Korrespondenz» angeschrieben ist.
Wer darin blättert, bekommt schon ganz zuvorderst einen interessanten Einblick in die damalige Zeit. Geschrieben wurde zu Beginn mit der Schreibmaschine, und die Statistiken hat man von Hand auf kariertes Papier gezeichnet.
Barbara Arnold und Agnes Moser, die Gründerinnen des «Pflegedienstes», blieben in den ersten Jahren die Hauptpersonen, unterstützt vom Stiftungsrat, in dem namhafte Ärztinnen und Ärzte sassen. Sie hatten den Sinn eines palliativen Pflegedienstes, der schwer kranke Menschen zu Hause betreut, erkannt und waren bereit, die Ziele mit ihrem Engagement zu unterstützen.
Krebs als gesellschaftliches Tabu
Auf Interesse stiess die Arbeit des ambulanten Dienstes auch in der Presse. Ein Zeugnis davon ist der fast ganzseitige Artikel über Agnes Moser und Barbara Arnold, der am 12. Oktober 1989 in der damaligen Gratiszeitung «Züri Woche» erschien. «Jeder vierte Schweizer stirbt an Krebs» lautet der Titel, und schon im ersten Absatz hält die Autorin fest: «Krebs ist – leider – immer noch ein Tabuthema.»
Die Journalistin berichtet über den Alltag der zwei Schwestern: «Ihre praktische Arbeit besteht aus Schmerzbekämpfung, Blutentnahmen, Infusionen und Transfusionen sowie zu einem gewissen Grade der psychosozialen Betreuung dieser Patienten zu Hause.» Für viele Patienten sei es allein schon eine grosse Beruhigung, zu wissen, dass jemand da sei. Das ist eine Erfahrung, die das Palliaviva-Team heute genauso immer noch macht.
Barbara Arnold und Agnes Moser, heisst es weiter, sei es sehr wichtig, nicht das sterile Image der Spitalschwestern zu haben. «Sie kommen in normaler Kleidung daher, wie ein ganz normaler Besuch.» Auch das ist heute noch so: Die Palliaviva-Pflegefachkräfte tragen bewusst keine Berufskleidung.
Die Arbeit war für die zwei Pflegefachfrauen äusserst herausfordernd. Barbara Arnold kündigte auf Herbst 1991, weil sie noch andere berufliche Pläne hatte. Sie schrieb in ihrem Kündigungsschreiben, sie wisse, dass sie «die lehrreichste, schönste und selbständigste Arbeit aufgebe».
Spenden sichern den Betrieb
Das Geld war schon in den Anfangsjahren ein Thema, das den Stiftungsrat stark beschäftigte. Bereits die Stiftung Pflegedienst für Krebspatienten konnte – wie Palliaviva heute – nur dank grosszügigen Spenderinnen und Spendern überleben und ihre wertvolle Aufgabe erfüllen. In Briefen wandte sich der erste Stiftungsratspräsident Holger Japp an potenzielle Geldgeber und betonte, dass der Pflegedienst eine zielgerichtete Pflege und Behandlung der Patientinnen und Patienten in ihren eigenen vier Wänden ermögliche. «Dadurch werden Spitalaufenthalte vermieden oder verkürzt.»
Heinrich Gattiker war danach mehrere Jahre lang Stiftungsratspräsident und erinnert sich lebhaft an die Anfangszeit. Der Onkologe sagt, zu den Hauptproblemen hätten damals das Spendenaufkommen und die Fahrzeugbeschaffung gehört. Zudem habe man darum gekämpft, das Angebot bei den Hausärztinnen und Hausärzten bekannt zu machen. Auch das ist heute noch immer ein wichtiges Anliegen von Palliaviva.
Gattiker entsinnt sich, dass es zu einzelnen Gönnern regelmässige, auch persönliche Kontakte gab. So habe ein grosszügiger Gönner, der am Zürichsee ein Badehaus besass, jeden Sommer ein Essen für alle Stiftungsräte, die Pflegefachfrauen und die mit der Stiftung eng verbundenen Ärztinnen und Ärzte veranstaltet.
Eine Erfolgsgeschichte
Eine der Ärztinnen, die eng mit der Stiftung zusammenarbeiteten, war auch Monika Reichlin. Sie erinnert sich daran, dass die Bürokratie damals deutlich weniger aufwendig war als heute. «Alles war viel unkomplizierter, der Austausch persönlicher und viel direkter.» Doch erfreulicherweise, hält sie fest, sei Palliative Care heute sehr viel bekannter als in den neunziger Jahren.
Monika Reichlin sagt: «Wenn ich an den Beginn der ersten Einsätze zu Hause denke, hat sich die ambulante Palliative Care enorm entwickelt. Sie hat einen hohen und wichtigen Stellenwert in der Betreuung von Tumorpatientinnen und -patienten und deren Angehörigen bekommen. Ein Erfolg!»