LSD in der Palliative Care: Interessierte gesucht
27.11.24
LSD könnte Patientinnen und Patienten unterstützen, sich mit Vertrauen dem Prozess des Loslassens hinzugeben.
Angst quält viele Menschen in der letzten Phase ihres Lebens. Eine aktuelle Studie untersucht, ob ihnen LSD helfen könnte. Zwei Zürcher Spitäler beteiligen sich daran.
«Ich frage unsere Patientinnen und Patienten häufig: Haben Sie Angst?», erzählt Sivan Schipper. «Manche sagen dann, sie fürchteten sich vor Schmerzen. Diese Angst lässt sich häufig beruhigen, wenn ich sie aufkläre, dass Schmerzen wirksam behandelt werden können.»
Der Leiter Innere Medizin und Palliative Care im Spital Uster weiss um die Wirkungskraft von Medikamenten, die am Lebensende Schmerzen lindern können. Doch Schipper räumt ein: «Weitaus mehr Patientinnen und Patienten antworten auf meine Frage, sie hätten Angst vor dem Ungewissen während des Sterbens. Sie fragen sich zum Beispiel: Was passiert mit mir, wenn ich sterbe?»
Vielversprechende Erfahrungen
Diese Angst, die als Gefühl den Tag und die Nacht bestimmen und die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann, würde der Palliativmediziner für die Betroffenen gerne lindern – oder sie wenigstens auf ein erträgliches Mass reduzieren. Die psychoaktive Substanz LSD, die 1943 vom Schweizer Chemiker Albert Hofmann entdeckt wurde, könnte dabei helfen.
Der Arzt Sivan Schipper hat bereits Erfahrungen mit der Verabreichung von LSD gesammelt. Bisher behandelte er vor allem Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen. Diese Behandlungen finden in einem streng geregelten Setting statt, in Zusammenarbeit mit Spezialistinnen und Spezialisten für Psychiatrie und Psychotherapie.
Diese sogenannten Psychedelika-assistierten Therapien finden in den erwähnten Fällen immer in Kombination mit Psychotherapien statt. Neben LSD gibt es weitere psychoaktive Substanzen, von denen sich Forschende viel versprechen, darunter etwa MDMA, auch bekannt als Partydroge Ecstasy. Da diese Substanzen dem Betäubungsmittelgesetz unterstehen, braucht es für die Behandlungen jeweils Spezialbewilligungen des Bundesamtes für Gesundheit.
Leichteres Loslassen
Der Arzt erklärt, der Rauschzustand unter LSD-Einfluss könne danach, im Alltag, den Fokus aufs Wesentliche im Hier und Jetzt lenken. «Menschen mit psychedelischen Erfahrungen beschreiben, dass sie nach diesem Erlebnis den einzelnen Moment wieder geniessen können, statt angstvoll darüber zu grübeln, was die Zukunft wohl bringt.»
Er führt weiter aus, das Durchleben einer Angst unter LSD-Einfluss könnte dazu führen, dass die Angst reduziert werde. «Weniger Angst heisst im Umkehrschluss mehr Vertrauen.» Sivan Schipper fasst zusammen, LSD könne dabei helfen, loszulassen. «Ich hoffe, dass sich diese Menschen mit mehr Vertrauen dem Prozess des Loslassens hingeben können. Dieses Erleben könnte Palliativbetroffenen schliesslich das Sterben erleichtern. Einige Patientinnen und Patienten machen hierbei auch mystische Erfahrungen, die ganz besonders wertvoll sein können.»
Studien-Teilnahme auch zu Hause
Der wissenschaftliche Beweis für die Wirksamkeit soll nun erbracht werden. Derzeit werden Patientinnen und Patienten für eine Schweizer LSD-Studie in der Palliativversorgung rekrutiert. Teilnehmen können Betroffene auch in ihrem Zuhause.
Federführend sind Forschende des Universitätsspitals Basel; beteiligt sind das Spital Uster mit dem Palliativmediziner Sivan Schipper sowie das Universitätsspital Zürich und voraussichtlich das Universitätsspital Genf. Die Studie wird vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert.
Im Raum Zürich können sich Interessierte unter sivan.schipper@spitaluster.ch (Spital Uster) oder david.blum@usz.ch (Universitätsspital Zürich) für eine Studienbeteiligung melden.
So ist der Ablauf der Studie
Das Forschungsprojekt sieht vor, dass die Teilnehmenden über einen Zeitraum von 12 Wochen begleitet werden. Fester Bestandteil der Studie sind neben einer Eintrittsuntersuchung auch ausführliche Vorbereitungsgespräche. Diese Termine finden, ebenso wie die zwei sogenannte Substanztherapietage, an denen den Teilnehmenden das LSD verabreicht wird, in einer der Kliniken oder aber bei den Betroffenen zu Hause statt. Das LSD wird als Trinklösung, die in ein Glas Wasser gegeben wird, eingenommen. Nach den Substanztherapietagen finden wiederum Gespräche statt, um die Erfahrungen ins alltägliche Leben zu integrieren.
An den zwei Substanztherapietagen werden die Teilnehmenden von einem Arzt oder einer Ärztin beziehungsweise einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin während der gesamten Substanzwirkung, die etwa 8 bis 10 Stunden dauert, zu Hause oder im Spital begleitet.
Die Substanzwirkung kann individuell und je nach Dosis unterschiedlich stark spürbar sein. Die Betreuungspersonen vermitteln Sicherheit, sind präsent und für die Patientinnen und Patienten da, die zum Teil tiefgreifende innere Erfahrungen erleben.
In die Studie werden über einen Zeitraum von vier Jahren insgesamt 60 Personen eingeschlossen. Sie müssen mindestens 25 Jahre alt sein und an einer weit fortgeschrittenen lebensbedrohlichen Erkrankung leiden.