Kühler Rechner mit gutem Herz

16.01.17

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Werner Hoppler sitzt seit mehr als zehn Jahren im Stiftungsrat von Onko Plus. Dem Betriebsökonom missfällt das Fehlen einer gesamtheitlichen Sicht im Gesundheitswesen. Ihn stört, dass das Sterben im Spital finanziell vollumfänglich gedeckt wird und jenes zu Hause nicht. Obwohl letzteres viel günstiger ist.

«Ich hatte ein mega gutes Leben», sagt Werner Hoppler. So begründet der 70-Jährige sein Engagement im Stiftungsrat von Onko Plus, das er seit bald zehn Jahren ausübt. In einer jugendlich wirkenden Sprache und mit viel Elan erzählt er aus seinem Leben und wie er Stiftungsrat wurde. Als er sich mit 60 Jahren frühpensionieren liess, lernte er zufällig die damalige Geschäftsführerin von Onko Plus kennen. Die Organisation hiess damals noch Onko-Spitex. Da der Stiftungsrat praktisch nur aus Ärzten bestand, war man auf der Suche nach einem Mitglied mit Wirtschaftserfahrung. Über diese verfügte Hoppler, der die Mehrheit seiner Karriere im In- und Ausland für die IBM tätig war. «Neben Beruf und Familie war mir bisher keine Zeit geblieben, etwas für die Gemeinschaft zu tun.» Deshalb wollte er etwas von seinem Glück zurückgeben. Die Zeit dafür schien reif zu sein.

Hoppler traf eine Organisation an, die «vom Operationellen her tipptopp geführt war», sich finanziell aber in einer schwierigen Lage befand. Ähnlich wie heute übernahmen Krankenkassen und Gemeinden nur einen Teil der Vollkosten, die der Pflegedienst für onkologische Patienten verursachte. Er machte sich zusammen mit der Geschäftsleitung daran, mit den Gemeinden Leistungsvereinbarungen auszuhandeln. Sie sollten für die nicht gedeckten Kosten aufkommen. In seinem Beruf hatte er viel Outsourcing-Erfahrung gemacht und verfügte deshalb über das entsprechende Knowhow. Es gelang ihm, die Finanzierung auf einen guten Stand zu bringen, und «behielt weiterhin das Ökonomische auf dem Radar».

«Wenn der Spendenfluss ausbleibt, ist eine solche Organisation nicht überlebensfähig»

Seine Analyse des Gesundheitswesens fällt denn auch messerscharf und vernichtend aus: «Es fehlt ein gesamtheitliches Denken. Jeder Stakeholder optimiert allein für sich und seinen Einflussbereich.» Als Ökonom könne er nicht nachvollziehen, weshalb die Finanzierung gesichert sei, wenn ein Patient zum Sterben ins Spital gehe, zu Hause hingegen nicht. Die ambulanten Palliativpflegedienste sind auf Spenden angewiesen, um ihre Ausgaben zu decken. «Dabei ist Sterben mit Onko Plus relevant kostengünstiger als im Spital.» Der Unterschied ist, dass für die Spitalpflege der Kanton und für die Pflege zu Hause die Gemeinden aufkommen müssen. Jetzt versucht der Verband der spezialisierten Palliative-Care-Leistungserbringer (SPaC) bei den Gemeinden Druck zu machen, damit sie die Restkosten decken. «Mit diesem Verband sind wir auf gutem Weg», sagt Hoppler. Klar seien Spenden auch Ausdruck einer solidarischen Gesellschaft. «Aber wenn der Spendenfluss ausbleibt, ist eine solche Organisation schlicht nicht überlebensfähig.» Das bereite ihm Sorgen.

Werner Hoppler legte sich nach seiner Frühpensionierung nicht auf die faule Haut – sondern arbeitete weiter. Er arbeitete genau so viel wie vorher, «manchmal sogar mehr», wie er sagt. Ein Headhunter holte ihn für die Sanierung einer «eher kleinen» Firma mit um die 700 Mitarbeitenden nach Lugano. Als dieses Unternehmen gerettet war, übernahm er eines in Zürich mit 400 Angestellten. Jetzt war der Betriebsökonom wieder «in einer Umgebung, in der man bei Entscheiden dabei sein kann». Im Grosskonzern hatte ihn gestört, immer mehr fremdbestimmt zu sein.

Zum Blumen Spritzen ins Tessin

Wenig überraschend, ist Werner Hoppler  heute noch sehr engagiert, auch wenn er nun definitiv in Pension ist. Neben seinem Stiftungsratsmandat bei Onko Plus, das er wie alle seine Kolleginnen und Kollegen ehrenamtlich ausübt, sitzt er in zwei weiteren Verwaltungsräten, handelt privat an der Börse und kümmert sich um das Zweitdomizil in Lugano inklusive Gemüsegarten. Im Sommer könne es deshalb durchaus vorkommen, dass er an einem Tag nur zum Blumen spritzen ins Tessin fahre und wieder zurück. «Zeitung lesen kann ich auch im Zug.» Nicht zuletzt haben Hoppler und seine Frau heute fünf Enkel, drei davon leben in der Schweiz. «Alle fünf sind mega Schätze, sehr aktive Kinder, die wir geniessen.» Er erzählt begeistert vom Skifahren mit den Enkeln in Klosters, wie er sie kürzlich jassen lehrte und von lehrreichen Apps und Computerspielen auf Tablet und Smartphone.

Daneben ist der jung gebliebene Grossvater immer noch sportlich unterwegs. Heute joggt er zwar «nur» noch drei Mal in der Woche statt täglich, fährt wie gesagt Ski, segelt, auch auf hoher See. In Bewegung möchte er auch sterben, wenn er  wählen könnte: «Kurz und schmerzlos beim Joggen an einem Herzinfarkt.»

Käme es anders, würde er selbst an Krebs erkranken, wie viele Patientinnen und Patienten von Onko Plus, hätte er den gleichen Wunsch wie sie: «Ich würde zu Hause sterben wollen.» Da Palliativpatienten dank spezialisierter Unterstützung keine Angst mehr haben müssen, die letzten Wochen Schmerzen zu leiden, «sind wir eine valable Alternative zum Exit-Tod», sagt Hoppler, jetzt wieder ganz der kühle Rechner.

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