Ein Flair für kreative Lösungen
06.02.24
Das Velo ist das liebste Fortbewegungsmittel von Rose Marij Wijnands.
Rose Marij Wijnands ist eine warmherzige, fröhliche Person. Mit ihrem holländischen Akzent hat die Palliaviva-Mitarbeiterin viele Sympathien auf sicher. Palliative Care empfindet sie als äusserst vielfältiges Betätigungsfeld.
Auf dem Platz vor dem Spital Bülach ist einiges los. Patientinnen und Patienten gehen zu ambulanten Untersuchungen, dazwischen sieht man frischgebackene Eltern, die ihr Neugeborenes im Autositz zum Parkplatz tragen. Die Babys sind zum ersten Mal draussen, auf dem Weg nach Hause. Über das Gesicht von Rose Marij Wijnands huscht ein Lächeln. Ihr Sohn, mittlerweile ein erwachsener junger Mann, ist im Spital Bülach geboren.
Ein einzigartiger Prozess
Zu Babys hat die 54-jährige Rose Marij Wijnands sowieso ein besonderes Verhältnis. «Früher wollte ich Hebamme werden», erzählt sie. Nun befasst sie sich in ihrem Alltag nicht mit dem Beginn, sondern mit dem Ende des Lebens. Seit gut zwei Jahren arbeitet sie als spezialisierte Pflegefachfrau bei Palliaviva. «Sterben ist wie die Geburt etwas Einzigartiges», hält sie fest. «Man kann es nicht wiederholen. Darum finde ich es umso wichtiger, diesen Prozess bewusst zu gestalten.»
Rose Marij Wijnands ist auf dem Weg ins Palliaviva-Büro im Spital Bülach. Von hier aus schwärmt das Palliaviva-Team Blau aus, das vor allem in den Gemeinden im Bezirk Bülach, in Dietikon Nord und im Bezirk Dielsdorf unterwegs ist. Rose Marij Wijnands begegnet bei ihrer Arbeit grossem Leid und pflegerisch schwierigen Situationen. Doch ihre Fröhlichkeit hat sie sich über die Jahre sehr gut erhalten.
«Es ist eine feine Linie, wie viel man an sich heranlässt», erklärt sie. «Man muss sich schon auch abgrenzen können.» Sie selber habe eher die Tendenz, sich emotional zu stark zu engagieren und müsse sich manchmal zurücknehmen, um nachts gut schlafen zu können.
Die Holländerin hat eine warme Ausstrahlung, und doch muss auch sie in manchen Haushalten, in die sie als Palliaviva-Mitarbeiterin kommt, zuerst ein Stück Überzeugungsarbeit leisten. Nicht alle Patientinnen, Patienten oder ihre Angehörigen sind immer gleichzeitig bereit, sich mit Palliative Care auseinanderzusetzen. Manchmal kommt es deshalb innerhalb von Familien zu Konflikten.
Kreativität und Selbstständigkeit
Ihr Akzent öffnet Rose Marij Wijnands viele Türen, und oft kommt es vor, dass das Gefühl von Vertrauen sofort da ist, wenn sie zu sprechen beginnt. Sie sieht sich in der Rolle der Gebenden, die den Betroffenen Angebote macht, die sie annehmen oder ablehnen können. Dafür benutzt sie oft das Bild eines Buffets, auf dem sie alles ausbreitet, was zur Verfügung steht. Die Auswahl trifft das Gegenüber.
«Ich habe ganz viele Ideen, aber jetzt machen wir zusammen Schritt für Schritt», sagt sie beispielsweise zu einer Patientin, die nicht nur körperlich, sondern auch psychisch stark belastet ist und zurückgezogen lebt. Zur Aufgabe der Palliative-Spezialistin gehört es, die ganze Palette an möglicher Unterstützung aufzuzeigen: von der psychosozialen Spitex über Angebote der Grundpflege bis hin zum vorübergehenden Spitaleintritt, wenn Symptome wie Schmerzen allzu belastend sind.
Diese Kreativität im Alltag und die Selbstständigkeit, die sie bei Palliaviva jeden Tag erlebt, gefallen Rose Marij Wijnands besonders. Sie arbeitet zurzeit in einem 40-Prozent-Pensum in der mobilen spezialisierten Palliative Care und betreut Menschen zu Hause. Zu weiteren 40 Prozent ist sie als Pflegeexpertin auf der Palliativabteilung eines Pflegezentrums angestellt.
Spannende Piketteinsätze
Bei Palliaviva leistet Rose Marij Wijnands regelmässig – das heisst ungefähr einmal pro Monat – Pikettdienste. Wenn in der Nacht das Telefon klingelt und sie ausrücken muss, ist sie besonders gefordert. Sie sagt, sie fahre nicht besonders gerne Auto, wenn es dunkel sei und womöglich auch noch regne. «Und trotzdem sind auch Nachteinsätze spannend», räumt sie ein. «Häufig kennt man die Patientinnen oder Patienten noch nicht. Man muss sich schnell einen Überblick verschaffen und Kontakt aufbauen.»
Sie erinnert sich an einen nächtlichen Einsatz bei einem todkranken Mann, der im Verlauf der folgenden Stunden verstarb. Am frühen Morgen fuhr sie erneut zu dem Haus. «Vor der Türe standen die Ehefrau und eine Freundin von ihr, beide in weissen Nachthemden. Sie kamen mir vor wie zwei Engel.» Solche überraschenden Momente und herausfordernden Situationen sind es, die Rose Marij Wijnands interessieren.
Unterwegs mit Hund Fridolin
Aufgewachsen ist die Mutter einer Tochter und eines Sohnes in Holland, wo sie auch die Lehre in der Pflege absolvierte. Dazwischen absolvierte sie ein Au-Pair-Jahr in der Schweiz. Nach der Erstausbildung kehrte sie hierher zurück, diesmal als Pflegefachfrau in der Zürcher Pflegerinnenschule. Nach weiteren Berufsjahren am Universitätsspital Zürich lebte sie mit ihrem damaligen Mann zwei Jahre in Kanada. Nach der Scheidung lernte sie ihren jetzigen Partner kennen.
Heute wohnt sie im Zürcher Unterland in einem Reihenhaus mit einem Garten, in dem sie mit ihrer Palliaviva-Kollegin Ankie van Es während des Sommers Gemüse aufzieht. Überhaupt sei sie in der Freizeit alles andere als eine Couch-Potato, sagt sie. Sie ist aktiv, fährt Velo oder wandert, und seit neuestem ist sie mit Hund Fridolin unterwegs, den die Familie aus dem Tierheim adoptiert hat.
Rose Marij Wijnands erzählt, Mischling Fridolin habe ein dunkles, struppiges Fell, darum habe ihn niemand sonst nehmen wollen. «Im Tierheim sagten sie uns, im Trend seien weisse Hunde, die weich seien zum Streicheln.» Dass sie ihr Herz an den struppigen Fridolin verschenkte, ist kein Zufall. Rose Marij Wijnands kann gut mit Abweichungen vom Modischen oder scheinbar Normalen umgehen.