«Die Geburtstage sind immer am traurigsten»

27.02.24

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Portrait von Noel Roth.

Noel Roth war jung, erst 20 Jahre alt, als seine Mutter Irmgard Roth an einem Hirntumor starb. Er pflegte sie zusammen mit der lokalen Spitex und Palliaviva bis zuletzt zu Hause. Wie geht es ihm heute, rund zwei Jahre danach?

«Ich habe ein intensives, anstrengendes Jahr hinter mir. Nun will ich mich psychisch erholen können und ein bisschen Geld verdienen.» Das sagte Noel Roth im September 2022, als er zum ersten Mal im Palliaviva-Blog von seiner Situation erzählte. Seine Mutter Irmgard Roth war im Herbst 2021 gestorben. Sie wurde 49 Jahre alt.

Jetzt sind seit dem Tod seiner Mutter gut zwei Jahre vergangen. Noel Roth geht es viel besser, wie er sagt. Er hat eine gesunde Gesichtsfarbe, macht einen stabilen Eindruck. «Ich habe rund 15 Kilo abgenommen, treibe Sport und esse weniger ungesunde Dinge», erzählt er. Nachdem seine Mutter gestorben war, habe er zu arbeiten begonnen. Etwas, wofür er im Jahr davor gar keine Zeit hatte.

Er hat alle beeindruckt

Seither hat sich der junge Mann ein neues Leben aufgebaut. Er verdient als Garagentor-Monteur sein eigenes Geld und leistet sich immer mal wieder Ferien im Ausland. Der Alltag im Reiheneinfamilienhaus in Embrach, wo auch sein Vater und zeitweise sein Bruder wohnen, hat sich eingependelt. Zwei Hunde gehören zum Haushalt. Die Pferde, die der Mutter gehört hatten, und den dazugehörigen Stall mussten sie aufgeben.

Noel Roth hat alle beeindruckt, die in die Betreuung seiner Mutter involviert waren. Das waren vor allem die lokale Spitex und Palliaviva, die Irmgard Roth in der Zeit, als es ihr schlecht ging, begleiteten. Der damals 20-jährige Sohn packte überall mit an, wo es ihn brauchte. Er blieb Tag und Nacht bei seiner Mutter, schlief im selben Raum im Erdgeschoss des Hauses. Sein Bett stand gleich neben dem Pflegebett von Irmgard Roth.

An dieser Stelle steht Noel Roths Bett noch heute. Das Pflegebett aber ist verschwunden. An die Mutter erinnern zahlreiche Souvenirs, die sich seit ihrem Tod in einer Vitrine im Wohnraum befinden. Noel Roth zeigt auf Fotos, Karten, kleine Engelsfiguren und mitten drin die Urne. «Die Asche haben wir bei ihrem Bänkli verstreut», erklärt er. Irmgard Roth hatte ihre Lieblingsplätze. Und diese erinnern ihren Sohn heute an sie.

«Der Abschied war schwer»

«Ich bin ein positiver Mensch», sagt der 22-Jährige. «Wenn ich irgendwo vorbeikomme, wo ich mit ihr war, stimmt mich das fröhlich.» Es gelinge ihm gut, Negatives in Positives umzukehren. Tröstend mag für ihn auch sein, dass er mit seiner Mutter über alles sprechen konnte ­– auch über das Sterben und den Tod. «Der Abschied war schwer», sagt er traurig. «Aber ich durfte sie bis zuletzt begleiten.» Das empfindet er trotz allem Schmerz, der auch mit den Gedanken daran verbunden ist, als Privileg.

«Es machte mir Freude, dass es ihr besser ging durch meine Hilfe», hält er fest. Sie sei die Jahre davor ja auch für ihn da gewesen. Führte das trotzdem zu Diskussionen? Noel Roth bejaht. Für die Mutter sei es nicht immer einfach gewesen, anzunehmen, von ihm gepflegt zu werden. «Sie wollte es mir nicht zumuten. Schliesslich konnte sie meine Unterstützung aber gut akzeptieren. Der damals 20-Jährige nahm schon während der Erkrankung seiner Mutter psychologische Hilfe bei der Krebsliga Zürich in Anspruch – bei Bedarf macht er das noch heute.

Gespräche sind hilfreich

Besonders schwierig sind für ihn jene Tage im Jahr, die eine besondere Bedeutung haben. «Die Geburtstage sind immer am traurigsten – mein eigener genauso wie der meiner Mutter. Auch in den Wochen vor ihrem Todestag denke er oft an sie. «Ich versuche dann aber, mich abzulenken.» Hilfreich seien für ihn auch Gespräche mit Kollegen.

Was würde er anderen jungen Menschen raten, die in einer ähnlichen Situation sind wie er? Noel Roth zögert nur kurz und sagt dann, psychologische Unterstützung anzunehmen, habe ihm persönlich sehr geholfen. Unter anderem schlafe er heute wieder besser. Früher habe er immer gesagt: «Ich vertraue keinem Psychologen.» Diese Meinung habe er revidiert. «Ich würde allen empfehlen, diese Hilfe zu nutzen, wenn sie einem angeboten wird.»

Noel Roth ist ein «Young Carer». Der Fachbegriff bezeichnet Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die jemanden, dem es nicht gut geht, betreuen. Sie übernehmen häufig eine grosse Verantwortung. Bei der oder dem Betreuten kann es sich um jemanden aus der Familie handeln, so wie bei Noel Roth.

Die Careum Hochschule Gesundheit organisiert regelmässig Austauschmöglichkeiten für «Young Carers» und hat für sie eine eigene Website aufgebaut.

Das Gespräch mit Noel Roth gibt es hier als Podcast zu hören.

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