Das Feuer lodert, cool bleibt sie trotzdem

23.10.19

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Dorothea Frei ist seit vier Jahren Stiftungsrätin von Palliaviva. Die Vollblutpolitikerin und Bildungsunternehmerin weiss aus persönlicher Erfahrung, worauf es in der Palliative Care ankommt.

Der magische Moment im Gespräch mit Dorothea Frei ist die Fotoaufnahme. Und zwar nicht wegen ihr, sondern wegen Patrick Hofmann. Er ist Weibel im Zürcher Rathaus und hat uns in den Ratssaal gelassen, obwohl gleichzeitig der Zürcher Regierungsrat tagt. Aus Sicherheitsgründen ist das heikel. Der Weibel weiss aber, dass er Dorothea Frei, die seit 17 Jahren im Gemeinderat sitzt und diesen 2014/2015 präsidiert hat, vollkommen vertrauen kann. Er kennt sie gut. Und sie kennt ihn. Sie weiss im Gegenzug, dass er ausgebildeter Fotograf ist – und spricht ihn darauf an. Er eilt herbei und hilft beim Fotografieren, gibt Tipps und albert im Hintergrund herum, damit sich Frei entspannt und lacht.

Menschlichkeit und Interesse am anderen Menschen sind der 59-Jährigen wichtig, das zeigt dieses Beispiel. So heisst es auch auf der Website der selbständigen Bildungs- und Beratungsunternehmerin: «Empathie, Vertrauen, Wertschätzung und Klarheit sind meine Grundwerte.»

Dorothea Frei ist ein Tausendsassa mit dem Schwerpunkt «Lehren und Lernen», wie sie selbst sagt. Sie unterrichtet in unterschiedlichen Institutionen des Gesundheitswesens, zum Beispiel bei H+ Bildung Aarau oder dem SGZ Schulungszentrum Gesundheit Zürich. Sie schult Erwachsenenbildnerinnen und -bildner sowie Menschen in Führungspositionen. Letztere berät sie auch einzeln, zum Beispiel wenn sie sich neu orientieren wollen.

Das sind Tonnen von Akten, die wir sichten müssen.» Dorothea Frei, SP-Gemeinderätin und PUK-Mitglied

Ein grosser Teil ihrer Arbeitskraft wendet sie aber für die Politik auf. Die SP-Gemeinderätin ist Mitglied der Rechnungsprüfungskommission (RPK). Vor allem auf diese wöchentlichen Sitzungen müsse sie sich ausführlich vorbereiten. Ausserdem sitzt sie momentan auch in der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), die das «ERZ-Debakel» um dem geschassten Direktor Urs Pauli untersuchen. «Das sind Tonnen von Akten, die wir sichten müssen.»

Lässt man Dorothea Frei den Aufwand schätzen, den sie für jede ihrer Aufgaben hat, kommt man zusammengezählt auf mindestens 130 Prozent. Darüber beklagt sie sich nicht. Das gehe natürlich nur, wenn man selbstständig und deshalb flexibel sei, sagt sie.

Dorothea Frei hat am Tisch in der Mitte des Ratssaals Platz genommen, in der Nähe der linken Ratsseite, wo die sozialdemokratische Fraktion ihren Platz hat. Sie erklärt geduldig, wo die anderen Parteien sitzen, wo welche Stadträtin, welcher Stadtrat, und wie es um die Sicherheit im Ratsgebäude bestellt ist. In ihrem Jahr als höchste Zürcherin führte sie unzählige Gruppen durchs Rathaus. Sie erzählt ruhig und in einem zum Mitschreiben angenehmen Tempo. Dennoch merkt man ihr die Begeisterung für den politischen Betrieb an. Das Feuer lodert, cool bleibt sie trotzdem.

Gelobt von Freund und Feind

Als Gemeinderatspräsidentin wurde die Schwamendingerin einmal vom QuartierTV porträtiert. Die mit einem Glanzresultat Gewählte wird im Film von politischem Freund wie Feind für ihre souveräne, unaufgeregte und effiziente Versammlungsleitung gelobt. Dank ihr dauerten die Sitzungen weniger lang, hiess es etwa. Aber auch, sie könne streng sein und durchgreifen, jedoch immer mit Charme.

Ursprünglich absolvierte Frei, die aus Ehrendingen AG stammt, eine Ausbildung zur Pflegefachfrau. In diesem Job arbeitete sie vier Jahre, dann wurde sie Berufsschullehrerin für Pflege, war Programmleiterin der Kinderkrankenpflegeschule Olten und leitete schliesslich die Pflegeschule in Meiringen BE.

Nach deren Schliessung – die Ausbildung im Gesundheitswesen wurde schweizweit neu organisiert – musste sich Dorothea Frei neu orientieren und wurde politische Sekretärin beim VPOD in Zürich. Die Gewerkschaft war es auch, die Frei motivierte, für den Stadtzürcher Gemeinderat zu kandidieren. Tatsächlich wurde sie rasch gewählt, dank eines Sitzgewinnes der Sozialdemokraten. Sie ist bis heute Gemeinderätin mit einem Unterbruch zwischen 2006 und 2008. Damals schied sie nach einem Sitzverlust der SP als Überzählige aus, rückte in der gleichen Legislatur aber noch für einen zurücktretenden Parlamentarier nach.

Irgendwie ist es nicht richtig, dass wir beim Arbeiten ein Defizit einfahren. Wir haben ja weiss Gott keinen grossen bürokratischen Überbau.» Dorothea Frei, Palliaviva-Stiftungsrätin

Beruflich ging es für Frei in der Erwachsenenbildung und -beratung weiter, als Teilhaberin eines Instituts in Bülach, bis sie sich 2013 mit ihrem eigenen Unternehmen selbstständig machte. In der Zeit, als sie im Ratspräsidium sass, arbeitete sie 20 Prozent bei der Spitex. «Um die Bodenhaftung nicht zu verlieren», wie sie sagt.

Kurz danach wurde sie von Susanne Bernasconi, ehemaliger FDP-Gemeinde- und Kantonsrätin, angefragt, ob sie in den Palliaviva-Stiftungsrat kommen wolle. Frei ist seit ihrem Engagement in der RPK mit Alt-Stadtrat Martin Vollenwyder, Bernasconis Ehemann, befreundet. Die SP-Politikerin zögerte nicht. Erstens «finde ich die Spitex extrem wichtig». Zweitens weiss sie aus der Betreuung ihrer eigenen Mutter, wie schwierig diese Aufgabe für Angehörige ist. Sie und ihre Schwester – beide diplomierte Pflegefachfrauen – nahmen die Mutter noch für eine Woche von der Intensivstation nach Hause, damit diese in den eigenen vier Wänden sterben konnte.  «Wir wechselten uns in 12-Stunden-Schichten ab.» Im gleichen Jahr starb auch ihre beste Freundin, diese jedoch im Spital.

Deshalb weiss Frei aus persönlicher und beruflicher Erfahrung, worauf es in der Palliative Care ankommt. Für Palliaviva wünscht sie sich eine kostendeckende Lösung, um nicht mehr permanent auf Spenden angewesen zu sein. «Irgendwie ist es nicht richtig, dass wir beim Arbeiten ein Defizit einfahren. Wir haben ja weiss Gott keinen grossen bürokratischen Überbau.»

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