«Man muss es rauslassen»

02.08.18

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Wut, Trauer, Verzweiflung. Zwar wirkt Ursula H. nach wie vor stark und nicht sterbenskrank. Dennoch gibt es schwarze Tage, an denen sie mit ihrem Schicksal hadert.

Ursula H. befindet sich an einem schwierigen Punkt im Krankheitsprozess. Im November prognostiziert ihr Onkologe, sie habe wegen ihres Pankreaskarzinoms nur noch sechs bis acht Monate zu leben. Diese Zeit ist jetzt um. Zwar wird die 64-Jährige immer schwächer, der Appetit nimmt ab und die Schmerzen werden stärker. Auf dem Sterbebett liegt die aktive Frau aber noch ganz und gar nicht. Aufrecht auf einem Stuhl sitzend empfängt sie Besuch, verwöhnt ihn mit Kaffee und Pralinen. Sie ist chic gekleidet und sieht jünger aus, als sie ist.

Wie immer spricht sie über ihre Situation, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen: «Einfach nur Scheisse» sei ihre Erkrankung. Sie habe eine gute Familie, wunderbare Freunde. Ausserdem seien sie und ihr Mann sehr zufrieden in der Wohnung, in der sie erst seit neun Monaten leben. An solchen Tage hadere sie mit ihrem Schicksal, das sie mit Millionen anderer Menschen teile.

«Ich weine und schreie und schlage auch mal aufs Sofa ein.»

Sie mache ihrer Wut und ihrer Trauer Luft, indem sie weine, schreie und auch mal aufs Sofa einschlage. «Man muss es rauslassen», ist sie überzeugt. Ein anderes Mal zieht sie sich in ihr Schneckenhaus zurück, liest, lenkt sich ab, guckt Fernsehen, vor allem Dokumentarfilme und -serien, «manchmal auch etwas Blödes, über das ich mich aufregen kann». Sie schaue, dass es ihr gut gehe – und sie esse, was sie wolle. Kaum hat sie das gesagt, fordert sie den Besuch auf, von den feinen Pralinés zu kosten. Die Schachtel ist noch unberührt.

Ursula H. denkt aber vor allem an ihre Familie, geht mit ihrer Tochter aus, bewirtet ihren Sohn mehrere Tage, der eigentlich in Honkong lebt. Ausserdem hat sie kürzlich zwei Katzen gekauft – für ihren Mann. Es sind edle Burma-Katzen, die nicht nach draussen dürfen. Sie sollen Herrn H. eine Struktur und eine Aufgabe geben, wenn seine Frau nicht mehr ist. Er muss dann die Verantwortung für die Tiere übernehmen. Diese Selbstlosigkeit, dieses Dasein für die Familie, entspreche ihrer Persönlichkeit, sagt sie. «Aber das macht mir keine Mühe, das bin ich.»

Ursula H. hat sich im Frühsommer gegen eine zweite Chemotherapie entschieden. Dieser Entschluss habe viel Mut gebraucht, und er beruhe auf ihrem ganzen bisherigen Leben, erzählte sie. Sie verfügt über eine starke Persönlichkeit, da sie schon früh ums nackte Überleben kämpfen musste. Für den Onko-Plus-Blog schreibt sie ihr Leben auf.

Fortsetzung folgt.

 

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