Beste Freundinnen

23.09.25

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Nora Oswald (links) und Carmen Pfrunder.

Nora Oswald (links) bei Carmen Pfrunder zu Hause im Kanton Aargau.

Seit dreissig Jahren sind Palliaviva-Mitarbeiterin Nora Oswald und Carmen Pfrunder befreundet. Als der Mann von Carmen Pfrunder 2012 unheilbar erkrankte, wurde ihre Verbindung noch enger. In Nora Oswald reifte in der Zeit danach die Idee heran, in der Palliative Care zu arbeiten.

«Du hattest einen grasgrünen Döschwo», lacht Carmen Pfrunder, und Nora Oswald entgegnet: «Und du hattest Henna-rote Haare, Schlaghosen und richtige Hippie-Frauen-Power!» Die beiden sitzen in Carmen Pfrunders Wohnküche am Esstisch und lassen Erinnerungen aufleben.

Dreissig Jahre ist es jetzt her, seit sie sich kennengelernt haben. Das war in Zürich, in der Ausbildung zur Pflegefachfrau Diplomniveau 1, wie es damals hiess. Einige Jahre lebten sie danach zusammen mit anderen in einer Wohngemeinschaft, bis sich ihre Wege im Alltag trennten. Nora Oswald reiste ins Ausland, bis ihr das Geld ausging, während Carmen Pfrunder als Pflegefachfrau in der Chirurgie arbeitete. Für sie war damals schon klar, dass sie mit ihrem späteren Mann den Bauernhof seiner Familie übernehmen würde.

In Verbindung blieben die zwei Frauen immer, sie schrieben sich Briefe um die halbe Welt. Carmen Pfrunder flog mit ihrem Partner, mit dem sie seit dem Teenageralter zusammen war, sogar nach Kenia, um einen Monat bei ihrer Freundin zu verbringen und diese «nach Hause zu holen», wie sie heute erzählt. Auch Nora Oswald arbeitete nach ihren Reisen weiter im Spital und liess sich später zur Shiatsu-Therapeutin und zur Doula, eine Geburtsbegleiterin, ausbilden.

Beide wurden schwanger und sesshafter. Carmen Pfrunder ist heute 47 Jahre alt und Mutter von vier Kindern, Nora Oswald ist 52 und Mutter von zwei Kindern. Seit rund drei Jahren arbeitet Nora Oswald im Team von Palliaviva, wobei sie schon vorher als spezialisierte Pflegefachfrau in der Palliative Care tätig war. Der Wunsch, ihr Wissen zu vertiefen und sich beruflich in der Palliative Care zu engagieren, hängt mit der Freundschaft der beiden Frauen zusammen.

Diagnose: unheilbar krank

Carmen Pfrunder zog als junge Frau wie geplant mit ihrem Mann Peter auf den Bauernhof der Familie in Gansingen im Kanton Aargau. Die beiden stellten den Betrieb um und begannen, Damhirsche zu züchten und Schafe zu halten. Das Hirsch- und das Lammfleisch vermarktet Carmen Pfrunder noch heute direkt ab Hof. Im Unterschied zu damals trägt sie die Verantwortung dafür jetzt aber ohne ihren damaligen Mann.

2012 wurde bei Peter Pfrunder ein seltener Tumor in den Hoden diagnostiziert. Und diesmal ging es nicht gut wie einige Jahre vorher, als er an Leukämie erkrankt war und diese Krankheit nach diversen Therapien wie durch ein Wunder überstand. Sehstörungen und Kopfschmerzen waren dieses Mal, 2012, der Grund dafür gewesen, dass er sich ins Spital bringen liess. Die ersten Untersuchungen ergaben dann, dass er eine Hirnblutung erlitten und Metastasen im Kopf hatte.

Die Damhirsche leben auf rund 10 Hektaren Weideland

Carmen Pfrunder erinnert sich, wie sie an jenem Abend mit den vier Kindern ins Spital fuhr und ihr eine Ärztin sagte, ihr Mann sei auf der Intensivstation. Sein Zustand sei stabil, doch man habe in seinem ganzen Körper «Punkte» gesehen. «Ich fragte dann, ob es Krebs sei, worauf die Ärztin zu weinen begann.» Carmen Pfrunder war mehr als irritiert darüber, holte sich aber am selben Abend noch Hilfe von Menschen, die in der kommenden schwierigen Zeit ein wichtiges Netzwerk bildeten.

Schwer krank zu Hause

Nora Oswald gehörte zu diesem Netzwerk. Sie verbrachte ­– oft auch mit ihren Kindern – viel Zeit auf dem Hof. Carmen Pfrunder selbst unterstützte ihren Mann, wo sie konnte. «Bis einen Monat vor seinem Tod sprach er nicht viel über die Krankheit», erzählt sie. «Er wollte daran glauben, dass er den Krebs besiegt.» Sie selbst holte sich Unterstützung bei einer Psychoonkologin. «Es war schwer, und ich habe – übrigens bis heute – keinen einzigen Tag nicht gearbeitet.»

Einen Monat, bevor er starb, begann Peter Pfrunder zu reden – auch über Pragmatisches wie die Menge Strohballen, die benötigt wird, um die Hirsche durch den Winter zu bringen. Für die Hofübergabe wandte sich das Paar an den Bauernverband, für andere administrative Entscheidungen blieb keine Zeit mehr. Carmen Pfrunders Mann, der im Nebenjob als Totengräber in elf Gemeinden gearbeitet hatte, teilte seinen Arbeitgebern eines Tages mit: «Ich werde nicht mehr gesund.»

Eine Spitex oder einen mobilen Palliative-Care-Dienst nahmen die Pfrunders nicht in Anspruch. Es ging auch ohne – und von einer Organisation wie Palliaviva hatten die beiden noch nie etwas gehört. Allerdings kam es in dieser Zeit zu mehreren notfallmässigen Spitaleintritten, was mit einer Palliativ-Spitex wohl vermeidbar gewesen wäre. Zu zweit gingen Carmen Pfrunder und ihr Mann durch dick und dünn. Am 15. Juli 2014 starb Peter Pfrunder im Spital. In den Wochen davor hatte er viel Zeit daheim, auch mit den Kindern, verbringen können. Die Jüngsten – Zwillinge – waren damals 6-jährig.

Der Weg in die Palliative Care

Auch Nora Oswald sagt heute: «Ich wusste damals noch nicht, dass es mobile spezialisierte Palliative-Care-Dienste wie Palliaviva gibt.» Sie kam später, nachdem sie eine mehrjährige Pause von der Pflege gemacht hatte, fast per Zufall darauf. Ihre heutige Palliaviva-Kollegin Stefanie Senn erzählte ihr in der Freizeit, am Rande einer gemeinsamen Yoga-Stunde, wo sie arbeitet. Und Nora Oswald wusste, auch aufgrund der Erfahrung mit der Familie Pfrunder: «Mit schwer kranken, sterbenden Menschen umgehen – das kann ich.» Sie liess sich bei einem mobilen Palliative-Care-Dienst anstellen und spürte, dass ihr das Thema liegt. Sie sagt: «Ich realisierte schnell, dass es hier Raum für mich gibt. Palliative Care bewegt und berührt mich.»

Ihrer Freundin Carmen Pfrunder stand sie in der Zeit nach dem Tod ihres Mannes intensiv bei. In den drei folgenden Jahren verbrachte sie jede Woche den Dienstag auf der Wildfarm in Gansingen. Sie half mit beim Heuen, beim Füttern der Hirsche und beim Ausmisten, beim Umzäunen der Schafe, bei der Apfel- und Zwetschgenernte. Und sie kochte für die Familie, bastelte und buk Kuchen mit den Kindern.

«Mit Nora konnten wir zur Ruhe kommen», sagt Carmen Pfrunder rückblickend. «Sie ermunterte mich, mich mit dem Leben zu befassen, Schritt für Schritt zu machen und half mir, meine Gedanken zu sortieren.» Wichtig war beiden auch, den Kindern viel Raum zu geben für ihre Gefühle.

Die Frage, ob sie den Hof mit den Damhirschen nach dem Tod ihres Mannes aufgeben und verlassen sollte, stellte sich für Carmen Pfrunder nie wirklich. «Natürlich gab es Phasen der Unsicherheit», räumt sie ein. «Aber ich bin hier verwurzelt, und die Kinder sind es sowieso.» Heute unterstützt sie ihr jetziger Partner in vielen Bereichen, vor allem auch bei der Baumpflege. Nora Oswald verbringt im Schnitt ein Wochenende pro Monat auf der Wildfarm. Beruflich hat sie in der Palliative Care ihren festen Platz gefunden.

Die beiden Frauen lernten sich in der Ausbildung kennen.

 

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