Als Frau in einer Männerwelt
20.05.25

Das Palliaviva-Team sieht in den Menschen, die es begleitet, nicht nur die Krankheit. Ein Beispiel dafür ist Erika Rolli. Die 74-Jährige hat eine spannende Karriere gemacht. In der Informatik musste sie sich als Frau auf die harte Tour beweisen.
Nora Oswald vom Team Rot von Palliaviva steuert das Auto auf den Vorplatz zwischen zwei Häusern. Sie nimmt ihre Tasche vom Rücksitz, steigt aus und klingelt an einer der Türen. Es dauert eine halbe Minute, dann ist dahinter aufgeregtes Bellen zu hören: Es ist Nala, der Hund von Erika Rolli und einer ihrer wichtigsten Begleiter im Alltag.
Bei Erika Rolli, die 74 Jahre alt ist, wurde ein Pankreaskarzinom diagnostiziert, ein Krebs der Bauchspeicheldrüse. Die Krankheit ist unheilbar, doch zurzeit macht Erika Rolli eine Chemotherapie, um den Krebs zu stabilisieren. Es ist nicht ihre erste Chemotherapie, und sie hofft, dass sich die Nebenwirkungen in Grenzen halten.
Das Ziel von Erika Rolli ist es, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, wo sie von Palliaviva begleitet wird. Da sie in der Region von Winterthur wohnt, ist das Team Rot für sie zuständig. Nora Oswald war schon einige Male bei ihr. Die beiden besprechen jeweils, wie die sogenannte Symptomlast aktuell ist und was man dagegen tun kann. Zurzeit belasten sie unter anderem Schmerzen von den Hautmetastasen, die Erika Rolli plagen. Sie fühlt sich sehr gut unterstützt, sowohl von Palliaviva als auch von ihrer Hausärztin.
Kernfunktion bei der Swissair
Die Gespräche mit dem Palliaviva-Team drehen sich aber nicht allein um die Krankheit. So hat Nora Oswald erfahren, dass ihr Gegenüber in der Flugbranche tätig war und unter anderem bei der Swissair einen wichtigen Job hatte. Sie war als Applikations-Entwicklerin sowie Projektleiterin mit Führungsverantwortung tätig und bildete viele Teams im In- und Ausland in der Bedienung von eigens für Fluggesellschaften entwickelten Applikationen weiter. Dabei ging es zum Beispiel um Programme fürs Check-in oder Reservationssysteme und das sogenannte Message Switching.
«Eine Frau in dieser Position?» – Sätze wie diesen habe sie mehr als einmal gehört, erzählt Erika Rolli. Ihre Kompetenz sei aufgrund des Geschlechts immer mal wieder angezweifelt worden. Männer hätten ihre Bedenken mehr oder weniger offen geäussert. Einmal habe ihr ein Manager eine offensichtliche Testfrage gestellt und sich später dafür entschuldigt: «Erika, I’m sorry», habe er gesagt, «you’re very competent.»
Ausgiebige Auslandserfahrung
Das Gespräch mit Nora Oswald vom Palliaviva-Team findet am Küchentisch statt, Hund Nala liegt am Boden, direkt neben dem Stuhl von Erika Rolli. Diese erzählt, wie sie als Managerin viele Jahre lang jeweils etwa sechs von zwölf Monaten im Ausland verbracht habe. Plötzlich steht sie vom Tisch auf, geht ins Nebenzimmer und kommt mit einem Ordner zurück. Sie beginnt zu blättern. Fein säuberlich hat sie aufgeschrieben, von wann bis wann sie an welchem Ort der Welt war: Jakarta, Dubai, Johannesburg, Sydney, Warschau, Nizza, Lissabon, Athen und London, und das ist nur eine Auswahl.

Erika Rolli in jüngeren Jahren. Das Foto entstand ca. 1980.
Erika Rolli hat sich mit 60 frühpensionieren lassen – nach einer steilen, für eine Frau in jener Zeit ungewöhnlichen Karriere. «Mir gefiel es, mich in verschiedenen Kulturen zu bewegen, aktiv zu sein und mich weiterzuentwickeln», sagt sie rückblickend. Fachlich habe das bedeutet, sich stets à jour zu halten. «Von uns wurde jedes Jahr ein Release der Systeme, eine Neuentwicklung, erwartet.»
Sie betont, dass sie zwar nicht selbst programmiert habe, doch als Teamleiterin mit viel Verantwortung habe sie sich manchmal gefühlt wie eine «One-Woman-Show» innerhalb der Swissair-Informatik. Gelernt habe sie alles «on the job».
Aufgewachsen ist Erika Rolli in einfachen Verhältnissen in Bargen im Seeland des Kantons Bern. Sie besuchte ein Jahr lang die Handelsschule und bewarb sich dann als Radiotelegrafistin bei Radio Schweiz. Die Firma war ein Vorläufer der heutigen Skyguide.
Auf diesem Weg kam Erika Rolli zuerst zur Flugsicherung, später dann zur Swissair und von dort – nach dem Grounding – zu den Nachfolgeunternehmen, in denen die Swissair-Informatik aufging. Der Werdegang, den sie machte, kam auch für sie selbst überraschend. Als junge Frau hatte sie jedenfalls keine Karrierepläne, und den Flughafen Zürich kannte sie «nur von einer Schulreise», wie sie sich erinnert.
Für Nala ist gesorgt
Erika Rolli ist sich bewusst, dass sie schwer krank ist. Sie pflegt enge und herzliche Kontakte zu ihrer Familie und zu Bekannten und hat für den Fall, dass es ihr plötzlich schlechter gehen sollte, vorgesorgt. Etwas vom Wichtigsten ist für sie, dass Hund Nala gut betreut ist. Eine ihrer Schwestern hat sich bereiterklärt, für Nala zu sorgen.